Der Tönsberg in Oerlinghausen

Naturschutz und Kulturgeschichte

Weit schweift der Blick vom Tönsberg über das Umland. Foto: M. Füller
Weit schweift der Blick vom Tönsberg über das Umland. Foto: M. Füller

1998 hat die Nordrhein-Westfalen-Stiftung  im Auftrag des NABU Lippe 45 ha des Tönsbergs bei Oerlinghausen erworben. Der bis 334m hohe, langestreckte Bergrücken des Tönsbergs liegt im Sandsteinzug des Teutoburger Walds und ist einer der schönsten Aussichtspunkte im ganzen Kreis Lippe. Im Norden erstreckt sich der Blick über das ganze Lipperland bis zur Porta Westfalica, in südlicher Richtung liegt die schwach geneigte Sandebene der Senne. Besonders beeindruckend ist der Blick vom Ostende des Tönsbergs in die sagenumwobene Wistinghausener Schlucht, einem uralten Passweg über den Teutoburger Wald.

Vom Kammweg des Tönsbergs aus fällt das Gelände beiderseits stark ab. Die steilen Hänge sind zum Teil jahrhundertelang als Niederwald bewirtschaftet worden. Andere Bereiche des Tönsbergs wurden noch bis zur Jahrhundertwende beweidet und waren von Zwergstrauchheiden bedeckt. Später wurden große Teile des Bergrückens mit Fichten aufgeforstet, so dass heute auf dem Tönsberg Nadelwald vorherrscht. Aufgrund großer Kahlschläge durch den Vorbesitzer findet man auf dem Tönsberg neben artenarmen Fichten-, Kiefern und Lärchenbeständen auf über 20 ha Fläche etwa zu gleichen Anteilen junge Sukzessionsstadien mit Birke, Faulbaum, Vogelbeere und Jungpflanzen weiterer Laub- und Nadelgehölze und bereits wieder aufgeforstete, noch relativ lichte Nadelholzkulturen.

Bergsandglöckchen. Foto: D. Lühr
Bergsandglöckchen. Foto: D. Lühr

Bedeutende Vogelarten des Tönsberges sind der Rauhfußkauz, der im Gebiet in Nisthöhlen brütet, der Schwarzspecht und die Waldschnepfe. In einem naturnahen Eichen-Birken-Wald auf der Südseite wurden verschiedene Fledermausarten nachgewiesen. In den Randbereichen der Wege kommen noch seltene und gefährdete, wärmeliebende Pionierarten nährstoffarmer Sandböden vor. Dazu zählen unter anderem das blau blühende Bergsandknöpfchen und das besonders an Trockenheit angepasste Zwerg-Filzkraut. Besondere Bedeutung für die Arten der Sandtrockenrasen haben die Flugsanddecken am Rand der Wistinghauser Schlucht. Diese Sonderstrukturen sollen in jedem Fall erhalten werden. Daneben sollen auch Elemente der historischen Kulturlandschaft wie Niederwald und Bergheide regeneriert werden.

Die beherrschenden Nadelholzbestände auf dem Tönsberg sollen langfristig im Rahmen einer naturnahen Forstwirtschaft in standortgerechte Laubwaldgesellschaften umgewandelt werden. Die Biologische Station Lippe hat dazu ein Pflegekonzept entwickelt. Einen Beitrag zum Waldumbau leistet auch die alljährlich durchgeführte Weihnachtsbaum-Aktion der NABU-Arbeitsgruppe Oerlinghausen: Mitglieder der NAJU und andere Jugendgruppen entnehmen am Tönsberg zusammen mit NABU-Aktiven zur Weihnachtszeit junge Nadelbäume und verkaufen sie als Weihnachtsbäume. Mit dem Kauf eines NABU-Weihnachtsbaum wird also nicht nur den NABU finanziell unterstützt, sondern auch unmittelbar einen Beitrag zum Schutz des Tönsbergs geleistet.

Wallanlagen am Tönsberg. Foto: M. Füller
Wallanlagen am Tönsberg. Foto: M. Füller

Eine besondere Bedeutung für den Bodendenkmalschutz und die Heimatkunde hat der Tönsberg durch seine weit zurückreichende Kulturgeschichte. Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurden am östlichen Ende des Tönsbergs zur Kontrolle eines bedeutenden Fernwanderweges durch die Wistinghauser Schlucht erste Befestigungsanlagen errichtet. Im Frühmittelalter entstand an gleicher Stelle eine durch zwei bis drei Wallringe gesicherte Wallburg – das sogenannte Sachsenlager, das mit 15 ha eine beachtliche Größe erreichte und den Sachsen während des Kampfes gegen Karl den Großen als strategisch bedeutsame Festung diente. Nach der Eroberung durch die Franken bestand die Burg weiter und wurde noch mehrmals umgebaut. Es ist davon auszugehen, dass der Tönsberg über die Jahrhunderte dauerhaft besiedelt war und städteähnliche Funktion übernahm. Nicht zuletzt aufgrund des großen Holzbedarfs für die Befestigungsanlagen, war der Tönsberg wahrscheinlich zeitweise weitestgehend waldfrei. Außerhalb der Ringwälle gelegene Flächen wurden vermutlich beweidet, so dass sich Heidegesellschaften ausbilden konnten. Der Südhang wurde teilweise terrassiert und ackerbaulich genutzt. Noch heute lassen sich die eindrucksvollen Wallanlagen auf dem Tönsberg, trotz Zerstörungen bei Wegebauarbeiten durch den Vorbesitzer, deutlich im Gelände erkennen.

 

Eine weitere Besonderheit des Tönsberges ist die Ruine einer kleinen mittelalterlichen Saalkirche, der St. Antonius-Kapelle, deren Gründung, folgt man einer alten Legende, auf Karl den Großen zurückgeht. Ihr Namenspatron war der heilige Antonius, der auch dem Tönsberg (Antonius = Tonius = Töns) zu seinem Namen verhalf. Die kleine Kirche, die inmitten der Wallanlagen an exponierter Stelle liegt, diente Pilgern bis ins 16. Jahrhundert als Wallfahrtsort.

 

Der Erwerb des Tönsbergs war ein wichtiger Schritt zur Erhaltung seiner einzigartigen Bodendenkmäler, zur Sicherung und Entwicklung eines besonderen Lebensraumes für heimische Tiere und Pflanzen und zur langfristigen Gewährleistung seiner Naherholungsfunktion für uns Menschen.